JUVE Awards 2021 - Kanzlei des Jahres für Immobilien- und Baurecht

Das beschlossene Aus des Verbrennermotors und die städtische Tankstelle: A fine piece of real estate

Die Erlöse der Mineralölunternehmen sprudeln und bescheren der Mineralölindustrie derzeit Rekordgewinne. Dennoch hat das Geschäft mit fossilen Kraftstoffen jedenfalls im Hinblick auf den Straßenverkehr nunmehr ein offizielles Ablaufdatum: Das Europäischen Parlament hat am 14. Februar 2023 beschlossen, dass ab 2035 in der EU keine neuen Pkws und Kleintransporter mit einem Verbrennermotor mehr zugelassen werden dürfen. Vor diesem Hintergrund wird sich das Geschäftsmodell der Mineralölunternehmen sowie Tankstellenbetreiber grundlegend verändern und die heutigen Tankstellen werden – sowohl im Hinblick auf ihre Anzahl als auch ihre konkrete Nutzung – in Zukunft kaum unverändert fortbestehen können. Dabei dürften für die zukünftige (Nach-)Nutzung der Tankstellen auch immobilienrechtliche Aspekte eine bedeutende Rolle spielen.

1. Veräußerung und andere Nachnutzung

Laut dem Bundesverband freier Tankstellen gab es im Jahr 2022 genau 14.460 Tankstellen in Deutschland. Nach einer vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenen Studie aus dem Jahr 2015 könnte die Anzahl der Tankstellen bis 2050 wohlmöglich auf schätzungsweise 9000 Tankstellen zurückgehen. Konkret würde ein solcher Rückgang daher bedeuten, dass mehr als ein Drittel aller Tankstellen den Betrieb einstellen würden. Dabei sind viele Tankstellen aufgrund ihrer häufig urbanen Lage „fine pieces of real estate“ und vielfältige Nachnutzungen sind denkbar. Da Mineralölunternehmen vielfach Eigentümer des Grundbesitzes sind, auf dem die Tankstellen betrieben werden, und – so ist anzunehmen – jedenfalls nicht alle Mineralölunternehmen sämtliche ihrer Liegenschaften selbst für eine anderweitige Nachnutzung entwickeln wollen, kann von einem erhöhten Transaktionsaufkommen in diesem Segment ausgegangen werden. Die Verkehrswende eröffnet Immobilieninvestoren und Projektentwicklern somit spannende Möglichkeiten.

1.1 Kaufvertraglicher Umgang mit Altlasten

Stets ein Thema im Rahmen der Veräußerung von Grundbesitz, auf dem vormals eine Tankstelle betrieben wurde, ist zweifellos der Umgang mit bekannten und befürchteten Altlasten. Relativ unproblematisch stellt sich der Umgang mit bekannten Altlasten wie z.B. Rückbau von (unterirdischer) Tanklager dar, weil diese Maßnahmen bepreist und kommerziell berücksichtigt werden können. Schwieriger hingegen ist der Umgang mit lediglich befürchteten, aber unbekannten Altlasten. Es liegt auf der Hand, dass Verkäufer und Käufer regelmäßig versuchen, diese Risiken vertraglich durch z.B. weitestgehenden Gewährleistungsausschluss sowie Haftungsbegrenzungen einerseits und Freistellungsregelungen und Fälligkeitsvoraussetzungen andererseits der jeweils anderen Seite aufzuerlegen. Der richtigen Vertragsgestaltung kommt somit eine maßgebende Bedeutung zu. Zu beachten ist dabei aus Sicht des Verkäufers immer, dass er sich durch einen Verkauf seinen umweltrechtlichen Verpflichtungen gegenüber den Behörden nicht entziehen kann.

1.2 Dekontamination in Abstimmung mit den Behörden

Darüber hinaus erfordert die Entwicklung eines Altlastengrundstücks regelmäßig eine enge Abstimmung mit den zuständigen Behörden, sei es, um die erforderlichen Maßnahmen zur Dekontamination zu bestimmen oder aber um die ordnungsgemäße Entsorgung der Altlasten zu gewährleisten. Nicht selten werden im Zusammenhang mit der Dekontamination von Flächen auch öffentlich-rechtliche Vereinbarungen geschlossen.

2. Aufrüstung mit Ladestationen

Eine gesteigerte Bedeutung dürfte immobilienrechtlichen Aspekten in Zukunft auch aus der Perspektive der Mineralölkonzerne und Tankstellenbetreiber zukommen. So darf als sicher angenommen werden, dass die Mineralölunternehmen nicht sämtlichen Grundbesitz veräußern werden. Vielmehr rüsten die Mineralölunternehmen häufig selbst Tankstellen mit Ladestationen aus. Mit der Aufrüstung einher gehen rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten, insbesondere wenn das Mineralölunternehmen die Tankstelle nicht selbst betreibt, sondern an einen Dritten verpachtet hat.

2.1 Besitz- und Nutzungsrecht am Pachtgegenstand

Dem Tankstellenbetreiber steht für die Zeit des Pachtverhältnisses das Besitz- und Nutzungsrecht an dem Tankstellengrundbesitz zu. Während der Dauer des Pachtvertrags kann das Mineralölunternehmen den Pachtgegenstand in der Regel nicht einseitig z.B. durch das Aufstellen von Ladestationen verändern, sondern bedarf der Zustimmung des Tankstellenbetreibers. Die Parteien des Pachtvertrags haben somit regelmäßig einen Nachtrag zum Pachtvertrag zu schließen, der regelmäßig auch dem Schriftformgebot standzuhalten hat. Inhaltlich kann ein solcher Nachtrag vielfältig ausgestaltet sein, so könnte z.B. eine Teilfläche vom ursprünglichen Pachtgegenstand ausgenommen werden, auf der die Ladestationen errichtet werden sollen. Ebenso denkbar wäre die Unterverpachtung – jedenfalls an einen Dritten – der für die Ladestationen designierten Flächen.

2.2 Erhebliche Regelungsdichte

In jedem Fall dürften weitere Regelungen erforderlich werden, um das Nebeneinander der bestehenden Tankstelle und der zu errichtenden Ladestationen auszugestalten. So dürften Regelungen über die gemeinschaftliche Nutzung (weiter Teile) des Tankstellengeländes schon zwecks Verlegung der erforderlichen Kabel, der Zufahrt der Kunden zu den Ladesäulen sowie etwaiger Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen notwendig werden. Auch Gefahrtragungsregelungen könnten durchaus eine Rolle spielen.

Unterstützung:

Gerne unterstützen wir Sie in sämtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Veräußerung von einzelnen Tankstellen oder Portfolios sowie der Gestaltung der vertraglichen Strukturen.

Kontakt:

Dr. Nikolaus Dickstein
Associate
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