Share Deals in der Immobilienwirtschaft sind bekanntermaßen seit mehreren Jahren im Visier von Öffentlichkeit und Politik. Bislang dominierten dabei steuerrechtliche Fragestellungen. Nun möchte der Berliner Senat das kommunale Vorkaufsrecht auf grundstücksbezogene Share Deals ausweiten.
Am 09.02.2021 hat der Berliner Senat beschlossen, hierzu den „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des gemeindlichen Vorkaufsrechts nach den §§ 24 ff. des Baugesetzbuchs (Vorkaufsrechtsstärkungsgesetz)“ in den Bundesrat einzubringen (BR-Drs. 124/21).
Was bislang gilt
Vorausgesetzt, ein Grundstück liegt in einem der in § 24 Absatz 1 BauGB genannten Gebiete oder die Gemeinde hat für sich durch Satzung ein besonderes Vorkaufsrecht an einem Grundstück begründet, steht der Gemeinde unter Umständen beim wortwörtlichen „Kauf von Grundstücken“ (§ 24 Absatz 1 Satz 1 BauGB) ein Vorkaufsrecht zu. Durch die Ausübung dieses Rechts erwirbt eine Gemeinde das verkaufte Grundstück anstelle des ursprünglichen Käufers und kann so Einfluss auf dessen künftige Nutzung nehmen.
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs zum zivilrechtlichen Vorkaufsrecht (§ 463 BGB) sind Share Deals zwar grundsätzlich nicht dazu geeignet, einen Vorkaufsfall auszulösen. Es seien jedoch Vertragsgestaltungen denkbar, „die bei materieller Betrachtung einem Kauf im Sinne des Vorkaufsrechts so nahe kommen, dass sie ihm gleichgestellt werden können“. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall handelte es sich allerdings um einen klaren Umgehungsfall, in dem offenbar der einzige Zweck der Gestaltung die Vermeidung des Vorkaufsrechts war. Das Verwaltungsgericht Berlin hat in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Anwendung auch des gemeindlichen Vorkaufsrechts nach BauGB auf Share Deals für denkbar gehalten. Es sei „möglich, dass sog. Umgehungsgeschäfte, die kaufähnlich sind, den Vorkaufsfall auslösen.“, so das VG Berlin in seinem – mittlerweile wohl rechtskräftigen – Beschluss (Az.: 19 L 566/19). Ob in dem konkreten Fall tatsächlich ein Vorkaufsrecht der Gemeinde anzunehmen war, hatte das Verwaltungsgericht nicht zu entscheiden. Die Entscheidung ist in der Literatur zu Recht auf Kritik gestoßen, zumal völlig unklar bleibt, welche Rechtsfolgen im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts gelten sollen. Dass die Gemeinde in den Anteilskaufvertrag eintreten will oder kann, erscheint jedenfalls kaum vorstellbar. Ein direkter Anspruch auf Übereignung des Grundstücks dürfte bislang am Fehlen einer gesetzlichen Grundlage scheitern. Für eine gewisse Unsicherheit im Rechtsverkehr hat der Beschluss dennoch gesorgt.
Was kommen soll
Vorkaufsrecht für Immobilien-Share Deals und „gleichstehende“ Geschäfte
Mit dem Gesetzesantrag sollen nun Regelungen in das BauGB aufgenommen werden, nach denen das gemeindliche Vorkaufsrecht zweifelsfrei auch bei grundstücksbezogenen Share Deals ausgeübt werden kann. Die vorgeschlagene weite Formulierung, das gemeindliche Vorkaufsrecht auf alle vertraglichen Gestaltungen auszuweiten, „die bei wirtschaftlicher Betrachtung dem Verkauf eines Grundstücks entsprechen“, soll aber auch weitere „noch unbekannte Vertrags- und Fallgestaltungen“ einschließen. Eine hinreichende Einschränkung sieht der Entwurf ausweislich seiner Begründung dadurch gegeben, dass eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit eines Share Deals mit einem Asset Deal regelmäßig nur dann anzunehmen sei, „wenn einziger oder wenigstens vordergründiger Zweck der veräußerten Gesellschaft die Verwaltung des Grundstücks ist bzw. das Grundstück den wesentlichen Vermögensgegenstand der veräußerten Gesellschaft darstellt“.
Umfassende Anzeigepflichten und erhebliche Bußgelder
Flankiert wird die beabsichtigte Ausweitung der gemeindlichen Vorkaufsrechte durch umfassende Anzeigepflichten öffentlicher Stellen (Gerichte, Behörden und Notare) sowie der an der Veräußerung unmittelbar Beteiligten gegenüber der Gemeinde. Das pflichtwidrige Unterlassen der Anzeige durch Veräußerer und Erwerber soll zukünftig mit einem Bußgeld von bis zu EUR 500.000 bedroht sein.
Verdoppelte Prüfungs- und Ausübungsfrist
Außerdem will der Gesetzesantrag die Frist zur Ausübung eines Vorkaufsrechts (§ 28 Absatz 2 Satz 1 BauGB) von zwei auf vier Monate anheben.
Rechtsfolge
Als Rechtsfolge der Ausübung des Vorkaufsrechts soll ein Übereignungsanspruch der Gemeinde hinsichtlich des betroffenen Grundstücks entstehen. Anstelle des Erwerbers von Gesellschaftsanteilen in einen Gesellschaftsvertrag einzutreten, soll der Gemeinde nicht möglich sein.
Auswirkungen
Der Gesetzesantrag passt sich in die kommunal-rechtspolitische Entwicklung Berlins der letzten Jahre ein. Nicht nur steuerlich, sondern auch hinsichtlich der gemeindlichen Vorkaufsrechte sollen Asset Deals und grundstücksbezogene Share Deals möglichst gleichbehandelt werden. Von dem Gesetzesantrag in der vorliegenden Form dürften vermutlich die meisten Transaktionen im Immobilienmarkt betroffen sein. Denn sowohl Projektentwickler als auch Investoren nutzen zur Realisierung ihrer Bauvorhaben bzw. ihrer An- und Verkäufe sehr häufig Projektgesellschaften, deren einziger Zweck die Verwaltung eines einzigen Projektgrundstücks ist bzw. deren wesentlicher Vermögensgegenstand das Grundstück ist. Bei all diesen Transaktionen könnten – nach dem Willen des Berliner Senats – die Gemeinden künftig bundesweit häufiger mitreden.
Wie es weitergeht
Inwiefern die Ausweitung der gemeindlichen Vorkaufsrechte auf solche Vorgänge der Durchsetzung städtebaulicher Ziele und insbesondere der Bekämpfung der Wohnungsnot dienlich ist, bleibt abzuwarten – ebenso wie das weitere Gesetzgebungsverfahren. Noch hat der Bundesrat nicht über den Gesetzesantrag des Berliner Senats beraten. Wir behalten die weitere Entwicklung für Sie im Blick.
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